Opel Astra K 1.6 CDTI SportsTourer Test
25.12.2016 22:25 | Bericht erstellt von VincentVEGA_
Testfahrzeug | Opel Astra K 1.6 CDTI SportsTourer |
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Leistung | 136 PS / 100 Kw |
Hubraum | 1598 |
HSN | 0035 |
TSN | BHQ |
Aufbauart | Kombi |
Kilometerstand | 2500 km |
Getriebeart | Handschaltung |
Erstzulassung | 7/2016 |
Nutzungssituation | Probefahrt |
Testdauer | ein Wochenende |
Karosserie
Der Kombi ist mit 4,7 Metern ziemlich lang für einen Kompakten, für mich sogar zu lang. Alles über 4,5 Metern ist einfach keine vernünftige Kompaktklasse. Immerhin wird man mit sehr guten Platzverhältnisen erwartet, ein Umstand, den der alte Astra nicht bieten konnte und hierfür vielfach gescholten wurde.
Der Kofferraum geizt erfreulicherweise auch nicht mit Volumen, aber bei der Länge wäre alles andere auch mehr als peinlich gewesen. Peinlich ist eigentlich nur die Übersichtlichkeit, nach vorne beim Einparken sieht man wirklich gar nichts, nach schräg hinten auch nicht, sodass ich ziemlich entsetzt war, dass ich über eine Rückfahrkamera zusätzlich zu Parkpiepern nachdenken musste. Klar, der Astra sieht echt schick aus, aber hier ging es auf Kosten des Alltagsnutzens.
Im Gegenzug entschädigt die Qualität. Die Spaltmaße sind in Ordnung, die Kunststoffe außerhalb des direkten Blickbereichs einfach, aber nicht zu billig, das Klavlerlackdekor wirkt auch nicht schlechter als die Fingerabdruck- und Staubmagneten von Premiumherstellern. |
Platzangebot vorn: | eng | geräumig | |
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Platzangebot hinten: | eng | geräumig | |
Kofferraum: | klein | groß | |
Übersichtlichkeit: | schlecht | gut | |
Qualitätseindruck: | minderwertig | hochwertig |
- + Sehr gutes Platzangebot
- + Vernünftige Qualität
- - Sehr lang für seine Klasse
- - Miserable Übersichtlichkeit
Antrieb
Da ich beabsichtige, mit dem neuen Auto viel Langstrecke zu fahren, war der 136-PS-Motor mein Favorit. Beim Losfahren war ich schwer enttäuscht, die Anfahrschwäche ist dermaßen ausgeprägt, dass man das Turboloch eigentlich schon von außen im Lader sehen müsste... Erst einmal in Fahrt, besserte sich das jedoch drastisch und der Wagen fährt sich flott, fördert Dynamik aber auch nicht gerade. Man gibt Gas, und der Befehl wird zufriedenstellend umgesetzt. Mehr nicht.
Da sollte man dann wirklich besser auf die alte Sechsgangautomatik verzichten und auf die neue Neungangautomatik warten, denn der alte Automat drückt auf dem Papier ordentlich aufs Temperament, und das war ja nun nicht allzu überwältigend.
Wer die Automatik nicht unbedingt braucht freut sich auf eine exzellente Schaltung, die Gänge lassen sich nahezu perfekt wechseln, wozu die sehr gute Kupplung auch beiträgt. Das Anfahren und Schalten klappte von der ersten Sekunde an problemlos, selten kam ich auf Anhieb so gut mit einem fremden Wagen zurecht.
Die positive Kehrseite des zurückhaltenden Antriebes war der Verbrauch, denn trotz 80% Stadtanteil lag der unterhalb von sechs Litern, im Gesamtschnitt ist bei ruhiger Fahrweise also die 5 vor dem Komma zementiert. Auf der Autobahn mutierte der Astra auch nicht zum Schluckspecht, denn der 6. Gang ist als Schongang ausgelegt - was mich zuerst irritierte, da es bei 100 Km/H irgendwie nicht mehr weiterging. Selbst der E-Gang im 4+E-Getriebe meines Audi 80 ist alltagstauglicher als der reine Autobahnschongang des Opel.
Das macht aber nichts, denn mit den ersten fünf Gängen lässt es sich über Stadt und Land immer im guten Drehzahlbereich fahren und bei 140 ist man umso dankbarer für Gang Nummer sechs.
Nur eine Sorge habe ich: Das Getriebe ist das M32, über das man ja nicht so viel Gutes hört und liest bezüglich der Haltbarkeit... |
Motorleistung: | schwach | stark | |
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Durchzug: | unelastisch | elastisch | |
Drehfreude: | zäh | agil | |
Getriebe/Schaltverhalten: | schlecht | gut | |
Verbrauch: | durstig | effizient | |
Reichweite: | gering | hoch |
- + Kupplung und Schaltung arbeiten perfekt
- + Sehr niedriger Verbrauch
- - ausgeprägte Anfahrschwäche
Fahrdynamik
Der Astra macht mehr auf Komfort, das wird schnell klar. Nicht nur der ruhige Antrieb, sondern auch das Fahrwerk sind darauf abgestimmt.
Der Astra ist durch nichts aus der Ruhe zu bringen und federt größtenteils sehr gut, nur auf kurzen Wellen merkt man den schweren Motor über der Vorderachse. Die Lenkung ist direkt ohne spitz anzusprechen, die Kurvenlage ist so perfekt, dass sich der Astra unterm Strich furchtbar langweilig fährt. Aber lieber so als schön sportlich an den Baum zu gleiten.
Man kann wirklich nichts falsch machen. Wer mit dem Auto im Graben landet ohne die StVO zu missachten, sollte einen Fahrlehrer konsultieren. Und wenn es doch mal eng wird bringen die Bremsen das Auto tadellos zum Stehen. |
Wendekreis: | groß | klein | |
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Beschleunigung: | langsam | schnell | |
Lenkung: | schwammig | direkt | |
Bremsen: | schwach | standfest | |
Fahrverhalten: | unausgeglichen | ausgeglichen | |
Kurvenverhalten: | unsicher | sicher | |
Wendigkeit: | träge | agil |
- + Absolut unproblematisches Fahrverhalten
- + Wirkungsvolle Bremsen
- - Das Auto fühlt sich nicht sportlich-agil an
Komfort
Wie schon erwähnt ist der Astra mehr auf Komfort ausgelegt, was den Entwicklern auch gelang, einen Maßstab setzt er allerdings nicht.
Opel nennt das gemütliche Aggregat "Flüsterdiesel" - keine Werbelüge, denn der Motor hält sich neben dem Temperament auch mit den Geräuschen zurück, aus dem Motorraum nagelt nichts und auch an der Laufruhe gibt es keinen Tadel. Harte, traktorartige Verbrennungsgeräusche sucht man selbst nach dem Kaltstart vergeblich. Auch Poltergeräusche waren selbst beim Fahren auf Bordsteine oder über Gullydeckel nicht aufgetreten, nichts klappert, nichts quietscht, nichts knarzt, nichts brummt, nichts dröhnt.
Wo Opel schon immer gut war sind die Sitze, das gefahrene Fahrzeug hatte noch nicht mal die vielfach geloben AGR-Gestühle und konnte mich bereits überzeugen. Für mich als Vielfahrer also ein gewichtiges Argument.
Die Bedienung gibt keine Rätsel auf, an den Tatschebildschirm gewöhnt sich jeder, der ein halbwegs modernes Handy hat. Der Wagen hatte eine elektrische Parkbremse, die es ab "Innovation" zwingend gibt, daher wollte ich damit auch mal umgehen. Ich mag die Dinger nicht, aber im Alltag machte sie keine Probleme. Wenn es Serie ist habe ich kein Problem damit, extra bestellen würde ich sowas aber nicht. Insgesamt gibt es auch im Astra an der einen oder anderen Ecke etwas zu fummeln, aber die Logik ist dafür schneller verstanden als bei anderen Systemen mit Dreh/Drückstellern, Multimediakartoffeln oder beidem kombiniert. |
Federung (komfortabel): | schlecht abgestimmt | gut abgestimmt | |
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Sitze vorn: | unbequem | bequem | |
Sitze hinten: | unbequem | bequem | |
Innengeräusche: | laut | leise | |
Bedienung: | kompliziert | intuitiv | |
Heizung/Klimatisierung: | schwach | wirkungsvoll |
- + Einfache Bedienung (für ein modernes Auto)
- + Gute Sitze
- + Angenehmes Geräuschniveau ohne Nageln
Emotion
Das soll ein Opel sein? Aber sicher. Opel hat eigentlich fast nie ins Klo gegriffen, als es darum ging, schöne Fahrzeuge zu bauen. Astra F, G und H waren schlicht und unaufdringlich, immer zeitgemäß und bis heute gefällig. Der J hingegen teilt das Schicksal des Golf V, irgendwie pummelig, aber in Ordnung (während gleichzeitig der erste Insignia traumhaft gut gelang!). Der H macht alles anders und wirkt sehr modisch, vielleicht nicht ganz so konsequent wie aktuelle Mercedes-Modelle, ist aber mutiger als seine Vorgänger und leider auch weniger zeitlos. Schick ist er, er ist kantiger, und komplexer weil es nun die Mode ist, er wirkt aber keinesfalls übertrieben angriffslustig, Opel vermied es, irgendwo klar in die Überzeichnung abzudriften. Mir gefällt der Astra sehr gut, da er sich letztlich doch treu geblieben ist: Moderner (und bis jetzt auch immer schöner) als der Golf, aber stets die breite Masse ansprechend. So passt das nur auf den ersten Blick ungewohnt dynamische Design dann doch zum komfortablen Wesen des Astra.
Das Image sehe ich ganz klar im Aufwind. Nach viel Murks in den 90ern erholte sich Opel nur sehr langsam, die Qualität besserte sich aber wieder. Dann der Irrweg mit zu engen und zu schweren Modellen. Jetzt haben sie es aber geschafft - die Autos sind wieder praktisch und profitieren von der gesteigerten Qualität. Die realistische Preisgestaltung tut ihr übriges, doch am Meisten profitiert das Opel-Image von dem tiefen Fall VWs.
Den Astra sehe ich von allen Opel-Modellen deshalb vorne, weil der Neue explizit auf die Kündenstimmen hin konstruiert wurde. Die Kritikpunkte waren: innen zu eng, zu schwer, zu viele Knöpfe. Und nun schaue sich einmal an, was geändert wurde. Wenn Hersteller heute noch auf Kunden hören, dürfte das nicht unbemerkt bleiben. |
Design: | langweilig | attraktiv | |
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Temperament (komfortabel): | ausbaufähig | realisiert | |
Image: | negativ | positiv |
- + Wieder einmal schöner als der Golf
- + Das Image von Opel bessert sich weiter
- + Auf die Kundenstimmen wurde gehört
Gesamtfazit zum Test
Der Astra ist für mich das zur Zeit beste Angebot seiner Klasse. Platz und Qualität überraschen, der Verbrauch ist sehr gering und die Preisgestaltung frei von Wolfsburger Frechheiten.
Dass er dazu noch gut aussieht und viele schöne Extras wie AGR-Sitze und Matrixlicht bietet, setzt dem König dann die Krone auf.
Muss ein Kompaktkombi wirklich fast 5er-Format haben? Eigentlich nicht, oder?
Und das schöne Design wurde leider mit mieser Übersicht erkauft. Die anderen Meckerpunkte lassen sich abstellen.
a) Der Diesel mit 160 PS dürfte genug Dampf für alle Lebenslagen haben
b) die neue und zeitgemäße Automatik kommt bald