BMW X6 F16 xDrive30d Test

Da stand er - der BMW X6 xDrive30d, für mich herausgeputzt und in Fahrtrichtung bereitgestellt auf dem ersten Parkplatz des grossen Autovermieters mit der Überschrift "Premium". Zum Glück stand er in Fahrtrichtung, dazu aber später mehr.

Ehrlich gesagt, war ich bisher kein bedinungsloser BMW-Fan und gebucht hatte ich eigentlich einen Audi A6 Avant. Doch einem SUV oder eben SAC (Sports Activity Coupé) wie ihn BMW nennt, kann ich mich dagegen schon anfreunden. Am Bord werde ich von einer reichhaltiger Sonderausstattung begrüsst:

- Navigationspaket Connected Drive (Navi Professional, Real Time Traffic, ...)

- Lordosenstütze und Sitzheizung

- Ablagenpaket

- Komfortzugang

- Alarmanlage

- Adaptiver LED-Scheinwerfer

- Head-Up-Display

- Speed Limit Info

- Driving Assistant Plus

Neupreis frisch vom Händler wohl ca. EUR 80.690,00.

Alles an Bord für eine angenehme 2'000km-Reise durch Deutschland.

Sportlich, elegant, muskulös und gross. Mit diesen Worten lässt sich ein BMW X6 wohl am treffendsten beschreiben. Die seitliche Coupé-Form mit der weit abfallenden Dachlinie und dem hochgestrecktem Hintern sieht sexy aus, wie eine elegante Dame auf high heels. Die in Alu glänzenden Umrahmungen der Fenster und die seitlichen Kiemen unterhalb der A-Säule zieren das Fahrzeug wie die dazu passenden Schmuckstücke. Klar kann man sich darüber streiten, aber ich finde, die passen zum eleganten Auftritt. Die seitliche Sicke, welche vom vorderen Radkasten beginnt, zieht sich keilförmig über die beiden Seitentüren hinweg und machen das Fahrzeug sportlich. Eine zweite Sicke zieht sich rund hoch über den hinteren Radkasten bis in die eleganten LED-Schlussleuchten hin zu einer weiteren Schokoladenseite des X6. Am hochgestreckten Hintern scheiden sich ja bekanntlich die Geister - ich finde ihn mit dem Facelift gelungen. Die Schlussleuchten ziehen das Heck etwas in die Breite. Die zweiflutige Auspuffanlage mit dem silbernen Diffusor zeigen die Potenz des BMWs. Gut gemacht. Gefällt mir.

Ab hier geht es wieder sachlich zu und her: Die grosse Heckklappe öffnet elektrisch. Besonders bei Tiefgaragen ist hier aber aufzupassen. Der Kofferraum ist breit und vor allem lang. Dabei bietet er ausreichend Platz auch für eine weitere Reise. Hohe Gegenstände müssen aber weit hinten platziert werden, da die Heckscheibe flach steht und den Kofferraum in der Höhe einschränkt. Ein Highlight im Kofferraum: Der doppelte Boden fasst nochmals viel Platz für Dinge, die man nie braucht. Aber: Dank einem kleinen Dämpfer lässt sich dieser kinderleicht heben oder senken. Toll BMW!

Einmal auf den Rücksitzen Platz genommen, reist man auch auf längeren Strecken bequem. Vorausgesetzt man sitzt nicht auf dem Mittelsitz. Dieser ist hart gepolstert und höher. So stossen sich grössere Menschen auch mal am Dach. Da haben es die Passagiere auf den beiden äusseren hinteren Sitzen wesentlich bequemer und müssen sich keine Gedanken um die Frisur machen. Für grössere Menschen eher ein Problem: Weil man hinten zu Gunsten der Dachlinie eher tiefer sitzt, ist die Beinauflage knapp bemessen.

Auf den vorderen Sitzen mangelt es dagegen an nichts. Der Innenraum besticht durch die Breite. Die breite Mittelarmlehne werde ich in meinem Audi vermissen. Auch in Sachen Qualität gibt es nichts zu meckern. Sogar die Standard-Interieurleisten reichen problemlos aus. Auch die Standard-Sitze machen zusammen mit dem Leder Dakota und den grauen Ziernähten einen guten Eindruck. Diese machen den hohen Einstieg im Fahrzeug sicherlich etwas leichter. Abzuwägen muss hier jeder selbst, ob er/sie für mehr Seitenhalt die optionalen Sportsitze nehmen würde. Ich hätte mir den Mehrkomfort gegönnt.

Bisher also ein toller, komfortabler Begleiter mit hoher Qualität. Doch kaum gestartet, plagten andere Platzängste. Parkhäuser werden zum Albtraum - Liebling, hast du die die Strassen geschrumpft? Eine schier endlose hohe Motorhaube macht Eindruck, doch weder Parkhaussäule noch Ticketautomat der Ausfahrtsbarriere kümmert das. Und wenn man dann einmal korrigieren und ein 2. mal ansetzten muss, erschrickt man vom Blick nach hinten: Der X6 hat nicht mehr als eine Schiessscharte! Und wohl weiss man auch bei BMW, warum die Rückfahrkamera bereits zur Serienausstattung gehört. Liebe potenzielle Käufer: Eine 360-Grad-Surround View-Kamera (EUR 940.-) ist ein Muss - nicht nur wegen der guten Kameraqualität (auch im Dunkeln).

Fangen wir mit dem Thema Dynamics an. Ist dies mit gut 2 Tonnen überhaupt diskutierbar? Im aktuellen Prospekt kommt dieser Begriff 16x vor. Ok, BMW will darüber sprechen, dann mach ich es eben auch!

Dass der X6 das Gewicht auf den Hüften trägt, lässt auch sein dynamisches Äussere nicht verbergen. Aber schleppen muss er es eben trotzdem. Auch wenn man an der Lenkung das Gewicht kaum spürt, und auch wenn der Diesel mit dem hohen Drehmoment das Gewicht zu kaschieren versucht, 2 Tonnen sind und blieben 2 Tonnen. Im Alltag ist dies kaum spürbar. Muss man denn aber wegen eines ausscherenden Fahrzeuges mal hart in die Eisen, treibt es doch die eine Schweissperle auf die Stirne. Ach, mal gut gegangen! Souverän, aber bitte nicht nochmal. Das ABS und die Elektronik arbeiten, die Front knickt tief ein, das Heck hoch. Die Masse spürt man. Die Werte mögen auf dem Papier toll wirken, subjektiv wäre mir eine Vollbremsung in einem Polo lieber.

Positiv angetan bin ich vom Kurvenverhalten. Die Wankbewegungen sind keineswegs mit grösseren SUVs vergleichbar und fallen hier viel geringer aus (auch ohne Wankausgleich). BMW würde kontern: Der X6 ist eben kein SUV sondern ein SAC!

Ansonsten mag ich den X6 für sein komfortables und souveränes Gleiten insbesondere auf den Autobahnen. Trotz Gewicht und Winterreifen ist der Gerdeauslauf perfekt. In der Stadt kann der X6 wegen seines grösseren Wendekreises und der eingeschränkten Sicht weniger punkten.

Ja, der BMW möchte nicht nur sportlich wirken, sondern auch sportlich sein. BMW spendiert ihm die Gene, doch sein Verstand verleiht ihm mehr Komfort. Doch das macht er ausgezeichnet und war somit für meine Reise der ideale Be-GLEITER. Auch wenn sich die Frage des eigentlichen Nutzens dieser Fahrzeugklasse stellt, hat der X6 mich mehr als nur ein wenig beeindruckt. Und so musste ich den eleganten Schlüssel des dazu passenden Fahrzeugs nach einer entspannten Reise doch eher ungern wieder abgeben.

Der X6 war ein guter Schachzug des Premiumherstellers, der eine Stange Geld kostet, polarisiert und wenig Platz in einer nachhaltig denkenden Umgebung hat. Doch BMW beweist, dass auf den vier angetriebenen Rädern eine komfortable Burg steht, vollgestopft mit Technologie und einem effizienten Motor. Schlussendlich haben die Käufer die Entscheidung, ob sie sich der Frage nach dem Nutzen stellen möchten.

Für alle die, die wie ich unerwartet zu einem heimlichen Fan dieses Fahrzeugs geworden sind, bietet BMW mit dem X4 eine Alternative. BMW, ich melde mich!