Porsche 911 996 3.6 Carrera 4S Cabrio Test

2004 in weiß bestellt, und alle haben mir das Fieber gemessen. Erstens weil unverkäuflich. Zweitens weil Weiß scheußlich. Drittens Wahnsinn, weil beim 4S Cabrio Metallic-Lackierung aufpreisfrei inkludiert. Und viertens überhaupt. Wartet nur, hab ich geantwortet, bis ihr das Auto seht. Es wird Weiß zu einer Trendfarbe machen. Da haben dann alle herzlich gelacht.

Seither ist das Teil mein Alltagsauto in der schnee- und salzfreien Zeit, und hat in den vergangenen 7 Jahren knapp 70.000 km angesammelt. Nicht völlig problemfrei, bei 42.000 km war ein Austauschmotor fällig (ja, das alter Simmerring-Leiden des 996er), der kulanterweise zur Gänze von Porsche übernommen wurde. Ansonsten ist das Auto so perfekt wie du es dir wünscht: Im Alltag unprätentiös, auf der Rennstrecke lustvoll (wenn auch ein bisserl lasch), die Verarbeitung solide (der Neuwagen-Lederduft ist noch immer nicht verflogen), und als Cabrio sonnig und eher Sympathieträger denn Neidobjekt.

996er 4S Cabrios sind am Gebrauchtmarkt eher rar und verhältnismässig teuer, weil die Besitzer es nur ungern wieder hergeben. Es war die letzte Baureihe des 996er (der 997er kam 2005), und sicherlich ihr schönster Vertreter, und wurde in geringen Stückzahlen produziert. Die Turbo-Karosserie ist aufregend und schwingt sich durch die fehlenden Seitenkiemen zur Vollendung auf, was von der Fachwelt mit der Auszeichnung Cabrio des Jahres 2003 ? 2004 ? belohnt wurde.

Wie testet man ein Auto, das einem 'normalen' Vehikel in nahezu jeder Hinsicht uneinholbar überlegen ist ? Es gibt bessere Porsche, wenn 'besser' schneller, durchzugstärker und renntauglicher meint. Aber ein GT3 mit UHP-Semislicks ist halt nur auf der trockenen Rennstrecke die pure Freude.

Wenn du das Gesamtpackage betrachtest, das dir geboten wird, ist das 996er 4S Cabrio sehr exakt am Punkt des Optimums - heiß genug, um als ernsthafter Sportwagen durchzugehen, aber mit genügend smoothness, um auch einer 10h-Fahrt noch freudvolle Seiten abgewinnen zu können. Unterhalt und Wartung halten sich für die Kategorie noch im überschaubaren Rahmen, der Turbo entrückt da schon ein bisserl, von der italienischen Konkurrenz einmal ganz zu schweigen.

Ein Wort noch zu den Unterhaltskosten - die sind in Österreich nicht ganz kompatibel zu den Germanischen, vorallem was Steuern und Versicherung betrifft (erstere werden bei uns zu letzteren dazugeschlagen) - die Angaben sind daher unzuverlässig.

In summa - nochmals vor die Wahl gestellt, würde ich das Auto wieder kaufen. Und natürlich in Weiß

Gemessen an einem ernsthaften Sportwagen ist das Platzangebot geradezu luxuriös. Für kurze Strecken können sogar hinten zwei Personen Platz nehmen. Für Kinder ist es gar kein Problem, Erwachsene müssen sich halt sehr lieb haben. Auch der Kofferraum ist - wiederum gemessen an echten Sportwägen - sehr gross. Du gewöhnst dich daran, eher mit verformbaren Weichtaschen zu reisen, und das Reserverad auszubauen, wenn wirklich viel hinein muss (ist mit zwei Handgriffen erledigt, und der Reifenspray ist ein gültiger Ersatz). Die zwei Sitzplätze hinten bieten überdies Platz für reichlich Gepäck.

Die Sicht nach hinten ist bei geschlossenem Verdeck nicht überwältigend, aber immer noch besser als bei den meisten Cabrios (und ich bin schon viele gefahren)

Ja, hier sind wir bei der Kernkompetenz des 911er. Ein Auto für Fahrer. Auf der Rennstrecke wünscht du dir 50-100 PS mehr, aber wie oft bist du am Ring ? Eben. Für das Überholen im Alltag reicht das Schmalz geradezu endlos. Das Problem ist dann eher der Beifahrer, der ein bisserl nervös reagiert.

Porsche Stability Management und die legendären Porsche Bremsen (Turbo-Version beim 4S Cabrio !!!) bringen das Auto sicher in 1,8 Sekunden und 6 Wagenlängen von 100 auf Null. Persönlich getestet. Und das handling ist so unkompliziert, dass du jeden Fahranfänger hineinsetzen kannst und er wird sich nicht damit wehtun. Das Auto macht nichts was du nicht willst.

Worauf du ständig achten musst ist die Tachonadel, die dir rasch in illegale Bereiche entwischt, bevor du überhaupt bemerkst, was los ist - ein Umstand, der den Verkehrsorganen später nur schwer zu erklären ist und eher auf zurückhaltendes Verständnis stösst.

Wenn du gerne driftest, ist der Allrad natürlich nur zweite Wahl - die Vorderräder ziehen dich nach außen, und du musst ein bisserl üben, um die Balance zu finden. Dann aber klappt es wunderbar.

Du fährst einen 911er. Du fährst ein Cabrio. Emotionaler geht es eigentlich nimmer. Du solltest einen eher extrovertierten Charakter und ein mitteilsames Herz haben - der Informationsbedarf deiner Umgebung ist unerschöpflich. Kinder werden geprägt und träumen von deinem Auto. Väter blicken sehnsüchtig. Mütter auch, verstecken es allerdings hinter einer skeptischen Miene.

Solltest du deinen ersten Porsche planen, zwei wichtige Regeln. Die Porschefahrer grüssen sich üblicherweise mit Lichthupe oder Handheben und sind rasch per Du. Und sei immer höflich im Strassenverkehr. Du musst nix mehr beweisen, dass die Karre gut geht, glaubt dir eh jeder ungeschaut. Umso freundlicher reagieren Passanten, wenn du sie über die Strasse lässt, oder Verkehrsteilnehmer, denen du Platz machst.